Halbleiterkrise reloaded: Warum Deutschlands Autoindustrie stolpert – und was Habecks De-Risking wirklich verändert

Denis Mau/ Oktober 22, 2025/ Industrie, Real-Life, Wirtschaft, Zukunft/ 0Kommentare

Habecks Halbleiterpolitik war Weitsicht, keine Ideologie

2023 wurde Robert Habeck für „Planwirtschaft“ verspottet, weil er Milliarden in Chipwerke lenkte und riskante China-Deals stoppte. 2025 drohen Produktionsstopps in der Autoindustrie – ausgerechnet wegen ausfallender Standardchips. Genau vor diesem Szenario warnte Habeck: Industriepolitik ist Sicherheitspolitik. Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz und Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche muss diesen Kurs jetzt als Standortpolitik 2.0 verstetigen – mit verlässlichem Grünstrom, smarter Förderung und weniger Abhängigkeiten.

2023: Ausgelacht – und doch richtig gelegen

Konservative und Wirtschaftsliberale brandmarkten Habecks Industriepolitik als „Subventionspolitik“ bis hin zu „Planwirtschaft“; sinngemäß: Der Staat greife zu stark in Investitionsentscheidungen ein. Parallel startete Habeck den Kurs De‑Risking statt Decoupling: strengere Investitionsprüfungen und gezielte Förderung strategischer Halbleiterkapazitäten – inklusive Blockade riskanter China‑Übernahmen.

2025: Chipmangel – genau das warnende Szenario

Seit Herbst 2025 warnt die Branche vor Produktionsrisiken durch den Nexperia‑Konflikt zwischen den Niederlanden und China: Es fehlen unauffällige, aber massenhaft benötigte 15-Cent-Standardchips. Die Lehre: Verwundbar sind nicht nur High‑End‑Nodes, sondern vor allem Commodity‑Bauteile in der Fahrzeugelektronik.

Was Habeck (mit EU‑Rückenwind) angeschoben hat

  • ESMC/TSMC Dresden: EU‑geförderte Fab (5 Mrd. € Beihilfe), Ziel rund 40.000 Waferstarts/Monat auf 28/22 nm (planar) und 16/12 nm (FinFET), Produktionsstart Ende 2027, ca. 2.000 Jobs.
  • Infineon „Smart Power Fab“ Dresden: >5 Mrd. € Invest, finale Förderung 2025, Produktionsstart ab 2026.
  • Investitionskontrollen (China): Stopp riskanter Übernahmen (u. a. Elmos/ERS) zum Schutz von Know‑how und Schlüsselkapazitäten.
  • China‑Strategie / De‑Risking: Offiziell verankert: Risiken reduzieren statt Abkopplung.

 Erneuerbare als Standortwährung – nicht Ideologie

Große Fabs siedeln sich dort an, wo viel, verlässlicher und grüner Strom per langfristigen Power Purchase Agreements (PPAs) planbar ist. 2024 erreichte Deutschland einen Rekordanteil von über 60 % erneuerbarer Stromerzeugung – die Basis für planbare, wettbewerbsfähige Grünstrompfade im Industriemaßstab.

Habeck ist weg – was aus seiner Strategie wird

Seit dem 6. Mai 2025 ist Friedrich Merz Bundeskanzler; Katherina Reiche führt das Wirtschafts‑ und Energieministerium. Die neue Bundesregierung setzt die großen Chip‑Projekte fort und macht aus De‑Risking eine Standortpolitik 2.0: Fokus auf Energiepreise, Planungstempo und Lieferketten‑Resilienz.

To‑dos jetzt:

  1. PPAs & Netze: Grünstrom vertraglich fixieren; Netzausbau & Speicher priorisieren.
  2. Fördern mit Zähnen: Meilensteine, Clawbacks, Krisenklauseln.
  3. Node‑Migration: Automotive‑Designs auf 28/22 nm und 16/12 nm beschleunigen.
  4. Packaging/OSAT in der EU: Second‑Source verankern, Assembly nah an die Fabs holen.
  5. Frühwarn‑KPIs: China‑Exposure in Umsatz/CapEx/Beschaffung messen und steuern.

Warum die AfD keine patriotische Lösung anbietet

Patriotische Industriepolitik senkt Abhängigkeiten und stärkt Partner. Die AfD fordert dagegen Schritte, die neue Abhängigkeiten schaffen (z. B. Rückkehr zu russischem Gas) und liefert keinen belastbaren Plan für Versorgungssicherheit, Investitionsschutz und Wertschöpfung in der Halbleiter‑Wertschöpfungskette.

Die AfD tut das Gegenteil:

  • Annäherung an Russland/China – Vertrauensdefizit: Der Bundestag debattierte 2024 explizit über AfD-Verbindungen nach Russland und China; zuletzt wurde der frühere Mitarbeiter eines AfD-Politikers wegen Spionage für China verurteilt. Das beschädigt sicherheits- und industriepolitische Glaubwürdigkeit. Deutscher Bundestag+1

  • Energiepolitik rückwärts: Die AfD drängt offen auf Rückkehr zu russischem Gas – parlamentarisch dokumentiert. Das schafft genau die geopolitische Erpressbarkeit, die seit 2022 so teuer wurde. Deutscher Bundestag

  • Programmatik ohne industrielles Fundament: Aus AfD-Papieren und Positionen zu Energie/Europa lässt sich kein tragfähiger Plan für Versorgungssicherheit, Investitionsschutz und Wertschöpfungstiefe in Schlüsselindustrien ableiten. „Raus aus EU/Euro“-Töne und billige Fossil-Rhetorik sind für Halbleiter-Ökosysteme kontraproduktiv, die planbare Regulierung, Handel und grüne Energie brauchen. Alternative für Deutschland

Wer Abhängigkeiten erhöht und strategische Partner vor den Kopf stößt, liefert keine patriotische, sondern eine strategisch schwache Antwort.

Fazit

Habecks Halbleiterpolitik war Realpolitik mit Weitblick: gezielte Förderung, Investitionskontrollen, De‑Risking. 2025 bestätigt die Realität den Befund: Standardchips fehlen, Bänder wackeln. Die neue Regierung kann den Kurs pragmatisch verstetigen – mit Grünstrom als Standortwährung, smarter Förderung und konsequenter Resilienzarbeit. Nicht handeln wäre am Ende teurer als jede Anschubfinanzierung.

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